Vom Laufen zum Triathlon zum Inferno – Wenn der Iron Man zu einfach wird
Neben den Radfahrern haben wir auf unserem Bike-Stammtisch auch noch ein paar Sportler einer anderen Kategorie: Ultra-Sportler und Triathleten. Für sie sind unsere Radtouren und Radreisen nur kleine Trainingseinheiten. Uns stellt sich da die Frage, wie wird man Triathlet oder Ultra-Sportler? Und wie kommt man vom Iron Man zum Inferno?
Wir haben mit Sarah Reetz gesprochen. Sie kommt aus der Nähe von Köln. Ihre Sportlerkarriere begann mit Langstreckenläufen – immer noch ihre Lieblingsdisziplin. Die Kenntnisse über die Langstrecke konnte sie immer weiter ausbauen, genauso wie ihre Kondition. Irgendwann sollten die Läufe aber nicht mehr nur sehr weit werden, sondern sie sollten auch sehr hoch gehen: also musste Sarah in die Berge. Dort wurde sie Trainerin in einer Hotelanlage.
Das Interview mit Sarah: Wie wird man Triathlet?
born2.bike: Sarah, die Liebe zum Laufen hat Dich nach Österreich geführt. In welchem Hotel warst Du dort und was genau hast Du gemacht?
Sarah: Die Liebe zum „Trail laufen“, um genau zu sein, hat mich nach Österreich geführt. 2015 bin ich für eine Bergsommer Saison nach Tirol in das Pitztal gezogen. Dort habe ich für die Region als Trailrunning Guide gearbeitet. Im hochgelegenen Hotel Vier Jahreszeiten arbeitete ich als ein Allrounder im Sportbereich, hier gehörten u.a. Aquafitness, Pilates, Stretching, Begleitung von externen Trailrunning Reisen, Technik- und Schnupperkurse im Trailrunning, klassische Massagen sowie das Führen eines kleinen Trailshops zu meinem Aufgaben.
In diesem Job stieß ich schnell an meine Grenzen, da es körperlich sehr fordernd war und ich dennoch nicht auf mein eigenes Langstrecken Training verzichten wollte. Nach Pausieren wegen erlittenem Übertraining wurde ich dann doch noch leistungsfähiger und ich wuchs nach dieser Bergsommer Saison mit zahlreichen Sportstunden am Tag, in der Woche, im Monat… über mich hinaus.
born2.bike: Die Langstrecke war also nicht mehr das Ende der Fahnenstange. Die „Ultras“ waren das neue Ziel. Was genau macht einen Ultralauf aus?
Sarah: Ultras bin ich auch schon vorher gelaufen, aber nicht im Trail/Bergbereich. „Ultratrail laufen“ (in meinem Fall zusätzlich noch: in alpinem Gelände) so umschreibt man es in der Szene, das wurde meine neue Leidenschaft. „Trail laufen“ bedeutet eigentlich nur das Laufen auf Pfaden, abseits von asphaltierten Wegen. Ultra bedeutet „länger als Marathon“, also alle Läufe die länger sind als 42,195 Kilometer. Die besondere Herausforderung für viele ist das Laufen von 100 Kilometern oder 100 Meilen nonstop. Ich selbst schaue gerne auf die Höhenmeter einer angebotenen Laufveranstaltung, hier drin suche und finde ich meine Herausforderung.
born2.bike: Wie oft bist Du schon einen Ultralauf gelaufen?
Sarah: ich habe sie ehrlich gesagt nicht gezählt. Es werden bislang um die 20 offiziellen Ultraläufe gewesen sein. Darunter waren die vier längsten Ultraläufe über 100 Kilometer nonstop.
born2.bike: Wann hast Du gemerkt, dass auch die Ultraläufe nicht mehr ausreichen?
Wann wurde es mehr als Ultra?
Sarah: Eigentlich haben mir die Ultraläufe immer ausgereicht, die Zeit in den Bergen ist für mich die schönste Zeit im Leben. Da ist es mir egal wie ich sie verbringe, ob laufend, wandernd oder auch radfahrend.
Ich vermute, du möchtest auf meine neue, zusätzliche Sportart dem Triathlon hinaus? Und wie wird man Triathlet?
Den ersten Wunsch und die erste Umsetzung eines Triathlons begannen 2017. Der erste Triathlon war eine Sprintdistanz, also eine Kurzdistanz, mit meinem schweren, langsamen Fully :-D. Diese Sportart begann ich eigentlich durch den Wunsch schwimmen, insbesondere Kraulschwimmen, zu lernen. Bis 2017 konnte ich nur dieses senkrechte Schwimmen, wie man es von Großeltern kennt.
Nach der ersten Sprintdistanz war mir direkt klar: auch hier geht es für mich auf die Langstrecke die sogenannte Langdistanz, für viele bekannt durch den Markennamen/Veranstalternamen „Ironman“.
born2.bike: Für „Normalsterbliche“ ist ein Iron Man schon eine Herausforderung, die kaum einer von uns annehmen kann. Für Dich ist ein Iron Man eigentlich nur eine Trainingseinheit, ein Test. Ein Test für was? Was ist der Inferno und wie unterschiedet sich das von einem Iron Man?
Sarah: Wie soll ich anfangen auf diese Fragen zu antworten 😀 ? Ich habe tatsächlich bislang nur diese eine Sprintdistanz 2017 absolviert, danach wurde ich erstmal schwanger. Bislang habe ich noch keinen weiteren Triathlon absolviert, weder Mittel- noch Langdistanz. Eine gewöhnliche Langdistanz mit 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Rennrad und 42,195 Kilometer laufen sollte ich jedoch für das Bestehen/finishen meines Jahreszieles, dem Inferno Triathlon, gut draufhaben, das stimmt.
Hauptsächlich unterscheidet sich der Inferno Triathlon von einem Ironman durch die vielen Höhenmeter. Ein Ironman findet in flachen Gebieten statt. Bei dem Infernotriathlon warten auf den Triathlet 5.500 Höhenmeter in alpinem Gelände. Dafür sind die Gesamtkilometer etwas weniger mit 3,1 Kilometer schwimmen, 97 Kilometer Rennrad, 30 Kilometer Mountainbike und 25 Kilometer laufen. Selbstverständlich ist der Inferno, für mich eine irrsinnige Herausforderung, wobei ich keine Angst vor den Kilometern und Höhenmetern habe, sondern rein vor den cut-off-Zeiten zwischen den einzelnen Disziplinen und somit also der Geschwindigkeit.
born2.bike: Seit wann trainierst Du auf den Inferno? Wann möchtest Du an den Start?
Sarah: Ich werden dieses Jahr an den Start gehen, August 2020. Bekannt ist mir dieser Triathlon seit August 2019, seitdem habe ich mir diesen Triathlon als Jahresziel 2020 definiert.
Im November 2019 sollte mein Training, insbesondere das Radtraining starten, leider zog ich mir Anfang Dezember 2019 einen Muskelbündelriss mit Muskelvenenthrombose zu. Somit war ich in Verzug mit dem Trainingsbeginn. Seit Februar diesen Jahres konnte ich aber wieder in die vollen gehen. Seit März bin ich nun wieder zurück in alten, gewohnten Trainingsumfängen. Ich zähle für mich die Trainingswochen seit der Anmeldung zum Inferno Triathlon. Die Anmeldung wurde am 03.03.2020 geöffnet, somit stehen insgesamt 25 Wochen spezifisches Training an.
Welchen Anteil hat das Biken?
born2.bike: Du betonst „insbesondere das Radtraining“, warum ist das Radtraining so wichtig bzw. ist es wichtiger als die beiden anderen Disziplinen?
Sarah: Das Radfahren nimmt im Triathlon den längsten, nicht nur in Kilometern sondern auch in der Zeitdauer, Part ein. Ich kann ja eigentlich nur gut laufen, somit muss ich dem Radtraining zusätzlich noch etwas mehr Beachtung schenken. Das Rad, also mein Fully, habe ich bislang nur als Regnerationsmobil und Schwangerschaftsmobil genutzt. Für mich ist es ziemlich neu es als Trainingsgerät zu nutzen.
born2.bike: Das Fully bzw. das Mountainbike kommt beim Inferno Triathlon kürzer zum Einsatz. Wie sieht denn für dich das Training auf dem Rennrad aus?
Sarah: Ja, da sagst und fragst du was! Mein Rennrad besitze ich seit April 2019, bloß gefahren bin ich es im Jahr 2019 so gut wie gar nicht. Mein Fokus stand bis Oktober 2019 noch zu 100% auf dem Lauftraining, im Dezember folgte dann die vorhin erwähnte Verletzung.
Seit Ende Januar bin ich im Besitz eines Rollentrainers von wahoo, dem KICKRcore. Somit trainiere ich nun regelmäßig, egal welches Winterwetter draußen herrscht, auf meinem Rennrad.
born2.bike: Wie sieht ein typisches Rennradtraining bei dir aus?
Sarah: Da ich die totale Frostbeule, was Hände und Füße angeht, bin, trainiere ich aktuell fast ausschließlich auf der Rolle, also indoor auf dem Rennrad. Heuer war das Wetter selten um die 10 Grad, erst ab 10 Grad trainiere ich auf dem Rad freiwillig Draußen.
Insbesondere beim Radtraining lege ich viel Wert auf die Anweisungen meines Trainers Andreas Eder. Andreas ist Zillertaler und hat selbst viel eigene Erfahrung mit Radrennen und Bergen. Seit Juli schreibt er mir Trainingspläne und hilft mir bei meinen Rookie-Fragen bzw. bei meiner Unwissenheit.
Ich absolviere leichte, aber dafür lange Ausdauereinheiten und auch kürzere, schwerere Einheiten. Die kürzeren Einheiten sind Krafteinheiten, hier trainiere ich mit/nach Trittfrequenz und Watt bzw. prozentualer Berganstieg. Derzeit sind es immer länger werdende Kraftintervalle, wobei ich es auch stetig zu mehr Wattleistung schaffe. Meinen Trainingsfortschritt in Watt empfinde ich als sehr gut, wobei ich keine Vergleichswerte kenne bzw. Vergleichsreferenzen besitze. Zu Trainingsbeginn mit der Rolle habe ich mich selbst, heimlich, „Pfeife“ genannt, ich war ganz schön gefrustet. Aber inzwischen läuft es wirklich gut und es macht mir wahnsinnig Spaß meine Oberschenkel so brennen zu lassen. Ich bin schon gespannt zu wie vielen Männern ich im Sommer sagen kann – und werde? – „never skip legday“.
born2.bike: Sarah, Deinen Mann hast Du beim Laufen kennen gelernt. Das hat zumindest schon mal den Vorteil, dass er Verständnis für Deinen Sport haben müsste. Wie kannst Du Sport und Familie in einen Einklang bringen? Was sagt Dein Mann? Was ist die größte Herausforderung?
Sarah: Die Sportlichkeit meines Mannes und das entsprechende Verständnis für meinen zeitintensiven Sport war die Grundvoraussetzung, dass damals eine Beziehung zustande kam. Ich wollte keinen Mann/Freund, ich kam prima ohne einen zurecht, ich hatte ja auch gar keine Zeit – eigentlich bis heute nicht :-D. Inzwischen ist unser Sohn meine Nummer eins, der Sport Nummer 2 und mein Mann 😀 nunja.
Die größte Herausforderung ist tatsächlich das Wort „Familie“, die Zeit zu dritt. Was für mich der Sport ist, ist für meinen Mann der Job. Zeit zu dritt, als Familie, bleibt nur am Wochenende – wobei am Wochenende haben sowohl er als auch ich die besonders langen Sporteinheiten im Trainingsplan stehen. Familienzeit bedarf einer genauen zeitlichen Planung. Gut in Einklang bringt uns der Schwimmsport, das tun wir alle drei gerne und jeder genießt im Schwimmbad mal seine Trainings(Aus)zeit. Im Sommer kann ich meinen Sohn z.B. beim Wandern auf dem Rücken, in der Kraxe tragen, das bringt mir ein gutes Kraftausdauertraining. Ansonsten wird es schon wirklich schwierig Familie und Sport unter einen Hut zu bekommen.
born2.bike: Wie hat dein Sohn dein Sportlerleben besonders beeinflusst? Wo hat er Dir eine neue Richtung gegeben, die Du vorher gar nicht auf dem Plan hattest?
Der Auslöser
Sarah: im Grunde genommen ist mein Sohn der Auslöser für meinen Triathlonsport. Den Wunsch 2017 schwimmen zu lernen wuchs aus der Entscheidung heraus Mutter werden zu wollen. Als Langstreckenläuferin ist man regelrecht Ausdauersüchtig. Mir war bewusst, dass ich in einer Schwangerschaft nicht ewig laufen oder Radfahren können werde. Die einzige Ersatzdroge, die ich fand, die ich am ehesten bis zur Entbindung ausführen können würde, war das Schwimmen. So begann meine Kommunikation „ich mache jetzt mal Triathlon, ich möchte Wissen wie das so ist“ statt aus dem Nähkästchen zu plaudern „ich versuche schwanger zu werden“. Und wie ihr bereits gelesen habt, hat diese kleine Flunkerei in mir den wahren Wunsch des Triathlon geweckt – getreu dem Motto „woher soll ich Wissen was ich denke, bevor ich weiß was ich sage“.
born2.bike: Dein Sohn war also der Auslöser für die Frage wie wird man Triathlet?! Und wie unterstützt Dich der Job bei Deinen Vorhaben?
Sarah: Der größte Vorteil an meinem Job ist, dass ich mich ständig selbst sagen höre: tu dies, tu das, tu jenes, so geht’s, so geht es nicht, etc. Das schwierigste für einen Sportler ist es, sich selbst einzuschätzen. Entweder sind wir im Höhenflug und glauben, wir sind die Größten oder wir sind gerade ganz klein mit Hut und uns fehlt der Mut. Durch mein tägliches Arbeiten mit anderen Hobbysportlern kann ich all das was ich lehre, wieder auf mich selbst zurück reflektieren. Ich bleibe selbst immer in den Themen Mut, Motivation, Regeneration und Prävention aktuell.
born2.bike: Wir sind ja eine Plattform fürs Biken. Was hat Dich zu born2.bike geführt und welchen Nutzen kannst Du daraus ziehen?
Sarah: Zu born2.bike bin ich durch meinen Mann gekommen. Er ist noch kommunikationsfreudiger als ich und fand dort direkt Anschluss. Mein erstes Treffen auf/mit born2.bike war eine fette Radtour (die Schlössertour) in den Bergen, bei Füssen (April 2017). Ich hatte so etwas noch nie gemacht, obwohl ich längst ein Fully besaß. Mein Mann überredete mich mit ihm und den anderen Jungs mitzufahren, ich würde das schaffen. Also gesagt, getan – eine Radtour unter Männern. Heute weiß ich wofür das gut war: Ich hätte mich niemals getraut auf den Inferno hin zu trainieren, wenn ich mich nicht getraut hätte bei dieser Radtour mit einigen Kilometern und einigen Höhenmetern mitzufahren. Ich hätte bis heute nicht einschätzen können in welchem Ausmaß es mich anstrengt Berge hochzuradeln. So habe ich Hoffnung und Vertrauen den Inferno zu meistern.
Nutzen ziehe ich JEDEN aus und mit dem Kontakt zu born2.bike. Ich bin die typische Frau, die keine Ahnung von Physik und Mechanik hat, weil es mich einfach überhaupt nicht interessiert – da bin ich tatsächlich Klischee. Ich habe durch die Plattform und die breiten Kontakte schon viel lernen dürfen und habe für alle Fragen direkt die richtige Anlaufstelle.
born2.bike: Welcher Bike-Sport hat es Dir besonders angetan? Was fürchtest Du beim Biken?
Sarah: Ganz klar gefällt mir das Biken in den Bergen am besten, am liebsten Bergauf. Ich liebe es einfach mich lebendig zu fühlen und das fühle ich am stärksten, wenn ich kämpfe – wenn mir die Schweißperlen herunterlaufen. Das Rad meiner Wahl ist das Fully, es ist einfach mega bequem, mir persönlich sind Geschwindigkeiten (noch?) egal. In den Bergen geht es für mich nur um das Erlebnis, das Abenteuer und die Lebensfreude.
Im Umkehrschluss fürchte ich beim Biken die hohen Geschwindigkeiten auf dem, gefühlt winzigen, Rennrad am meisten. Downhill mit nicht abgesperrten Straßen wie beim Inferno, sind mein Alptraum. Da muss ich noch viel an mir arbeiten, Kopfarbeit und nicht zuletzt macht Übung den Meister.
born2.bike: Wann dürfen wir Dich als nächstes bewundern? Wo müssen wir Dir unbedingt die Daumen drücken?
Sarah: Das ist eine gute Frage. Derzeit weiß man leider nicht wie sich die Corona-Welt weiterdrehen wird. Die ersten Wettkämpfe sind abgesagt und man kann nur abwarten. Es gibt zwar Trailläufe und eine Triathlon Mitteldistanz, die ich ins Auge gefasst habe, aber im Moment sehe ich erst einmal davon ab diese öffentlich zu kommunizieren. Sobald Corona die Sport- und Wettkampfwelt sich weiter drehen lässt, gebe ich Bescheid wann und wo ich unterwegs sein werde.
born2.bike: Wir freuen uns schon über Dein nächstes Abenteuer berichten zu dürfen! 1.000 Dank für Deinen Bericht und alles Gute!
Sarah: Vielen Dank!
Nachtrag: Seid ihr selbst auch auf dem Weg vom Hobby-Sportler zum Amateur? Oder sogar vom Amateur zum Profi? Dann lest euch noch den Artikel über Become a Pro durch. Dort bekommt ihr nochmal viele neue Ideen auf eurem Weg nach oben. Wir wünschen euch, vor allem Sarah und allen, die einfach Spaß haben viel Erfolg und vor allem Gesundheit – ohne die ist alles nichts. Bleibt uns treu und kommt einfach mal zum Bike-Stammtisch. Schickt uns eine persönliche Nachricht an stammtisch@born2.bike .
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